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  • AutorenbildChristian Langer

Strand, Rugby, Harry Potter - Neuseeland Roadtrip Teil 2




Drei Deutsche und eine Schweizerin sitzen in einem kleinen Hybrid und fahren Richtung Sonnenuntergang. Der Kofferaum des Toyota Prius ist bis zum Bersten gefüllt, auch auf der Rückbank ist dank der vielen Lebensmittel-Tüten, einer Gitalele und kleiner Daypacks kein Stauraum mehr. Aus der kleinen Bluetooth-Box dröhnt Classic Rock. So in etwa hat sich die zweite Hälfte meines Neuseeland-Roadtrips abgespielt.


In Rotorua treffe ich mitten auf der Straße Konrad und Omar aus Konstanz wieder. Eigentlich hatten wir uns in National Park kennen gelernt und wollten zusammen das Tongariro Crossing machen, das Wetter kam allerdings dazwischen. Nun stehen sie wieder vor mir. Jeder Backpacker steuert eben mehr oder weniger die selben Spots an. Sie übernachten im selben Hostel wie ich und haben eine Schweizerin namens Leonie bei sich.

Spontan beschließe ich, die Drei in meinem Auto mitzunehmen. Mehr Leute macht immer Spaß und im Gegenzug zu anderen Deutschen, die ich bisher getroffen habe, sind sie wirklich auf meiner Wellenlänge.


Zuerst fahren wir nach Whakarewarewa, einem kleinen Maori-Dorf am Stadtrand. Beißender Schwefelgeruch tritt uns entgegen, denn die Siedlung ist in Mitten von ebenjenen Quellen gelegen. Für Maoris ist die Gegend von spiritueller Bedeutung, außerdem werden die heißen Wasserbäder vielseitig genutzt: So dienen sie für die 27 dort lebenden Familien als Bad, Waschmaschine und Ofen in Einem. Zur Begrüßung besuchen wir eine kleine Show von Einheimischen. Sie singen, tanzen und erzählen. Allerdings fühle ich mich als Betrachter der Szenerie einfach nicht wohl, sondern wie ein gaffender Besucher einer Völkerschau.



Auch das Dorf selbst ist leider nicht sonderlich beeindruckend: Einige kleine Häuser, ein paar Schwefelquellen und ausländische Besuchergruppen. Aber ich habe zumindest meine Lederhosn an und gewinne dadurch den ein oder anderen verwirrten Blick eines Maoris. Ein alpenländischer Ureinwohner unter neuseeländischen. Nur dass die Maoris Alltagskleidung tragen, wenn sie nicht gerade auf der Bühne tanzen.



Relativ schnell machen wir uns weiter auf den Weg nach Coromandel. Zahlreiche kleine, grüne Hügel liegen vor uns: Wir befinden uns in der Gegend um Matamata, Hobbiton. Der nächste "Herr der Ringe"-Spot auf meiner Tour. Diesmal sehe ich es mir jedoch nicht an. Die Filme haben mich noch nie interessiert, den überteuerten Eintritt für das Filmdorf kann ich mir sparen.


Mir gefällt eher Harry Potter. Und das läuft auch im Radio. Konrad, Omar und Leonie sind nacheinander eingeschlafen, nur ich bin (logischerweise als Fahrer) wach und höre mir an, wie die Dementoren nach Little Whinging kommen. Auf einmal ist wechselt die Umgebung, über eine lange Brücke fahren wir auf die Coromandel-Halbinsel. Harry Potter rückt in den Hintergrund, denn die Landschaft ist atemberaubend. Riesige Wälder, enge Kurvenstraßen und Küstenabschnittte. Wir kommen gar nicht mehr hinterher, die Anderen auf schöne Spots aufmerksam zu machen.


Rechtzeitig zum Sonnenuntergang erreichen wir die Cathedral Cove. Es sieht ein wenig wie die Bay of Islands: Viele kleine Inseln spiegeln sich im orange-leuchtenden Wasser, während über ihnen die Sonne am Horizont untergeht. Eine tolle Aussicht, aber langsam wird es dunkel und kalt und noch haben wir keinen Schlafplatz gebucht.


Wir entscheiden uns für ein kleines, halbwegs günstiges Hostel, etwa eine halbe Stunde nördlich gelegen. Die Hostel-Angestellte ist Deutsch, was mich schon nicht mehr sonderlich überrascht in Neuseeland. Wir checken ein und kochen anschließend Bolognese mit Rotwein. Ein wenig nervig ist, dass wir an der Supermarktkasse unsere Ausweise vorzeigen müssen. Jeder von uns. Für eine 7-Dollar-Flasche Wein. Dafür war dieser allerdings ziemlich gut und die Bolognese umso mehr.



Am nächsten Tag geht's erneut zur Cathedral Cove, deren kleiner Bogen einer der beliebtesten Fotospots der Region ist. Circa 35 Minuten dauert der Weg zum Strand und uns gefällt es so sehr, dass wir dort einige Zeit bleiben. Konrad und Leonie springen ins eiskalte Meer, ich sande meine Lederhose ein und spiele ein wenig Gitalele.


Unser nächster Stopp ist der Hot Water Beach. Hier kann bei Ebbe ein Loch in den Sand gebuddelt werden, das sich nach kurzer Zeit mit, wie der Name bereits verrät, heißem Wasser füllt. Als wir dort eintreffen, wird uns geraten, nachts zurück zu kommen, da die Ebbe dann am besten ist.


Mit dem Plan dies zu machen, checken wir erneut im selben Hostel ein. Über Omar und Konstantin liegt diesmal jedoch nicht Leonie im Bett, sondern zwei übergewichtige Engländerinnen. Der nur aus Drähten bestehende Lattenrost biegt sich bis zum Maximum und bildet eine furchterregende Kuhle, die über den beiden schwebt. Ich habe das Glück, dass das Bett über mir leer bleibt, fürchte jedoch leicht um das Wohlergehen der Beiden. Passiert ist nichts, die Angst eines Zusammenbruchs des windigen Bettgestells schwebte jedoch durch den Raum.


Wir kochen erneut und als wir uns nach dem Essen eine Schaufel leihen wollen, ist es bereits 21:00 Uhr und die Rezeptionistin verschwunden. Als sie gegen 22:30 Uhr zurück kommt, sind wir eigentlich schon wieder zu müde und verzichten auf unseren natürlichen Whirlpool.


Unser nächster Tag soll produktiver werden, also fahren wir den Rest der Halbinsel ab. Wunderschöne Küstenstraßen und tolle Ausblicke bilden unseren Weg.

Konrad, Sohn einer Romanistik-Professorin und eines Lektorats-Leiters, und ich, Mittlere Reife und besserwisserischer Halbintellektueller, reden über Literatur und offenbaren unsere fehlenden Kenntnisse in Klassikern der deutschen Lyrik. Konrad frägt mich kurz darauf, ob ich wisse, wer Roger Willemsen ist.


Damit hat er einen Nerv getroffen: Roger Willemsen, ein sich wortgewandt ausdrückender Intellektueller, der die Welt bereist, Mädchen-Schulen in Afghanistan gebaut, Taliban-Führer interviewt, Affen durch den Regenwald geschippert und Talkshows moderiert hat, ist nur Wenigen in unserem Alter ein Begriff. Ich jedoch liebe ihn und seine Bücher. Als er vor wenigen Jahren an Krebs gestorben ist, war es der einzige Tod einer öffentlichen Person, der mich je berührt hat. Willemsen war nicht nur ein toller Autor, sondern auch eine unglaublich sympathische und witzige Persönlichkeit und wohl der einzige Schriftsteller, von dem ich mehr als ein Buch gelesen, wenn nicht sogar verschlungen, habe. Und Konrad hat mit seinem Vater und Willemsen zu Abend gegessen. Ich bin unglaublich eifersüchtig und staune ungläubig über die Geschichten. Niemals hätte ich gedacht, dass ich so sehr Fan von einem Autoren sein kann, wie von Musikern. Aber für dieses Abendessen hätte ich viel Geld gezahlt.


Als wir bereits das Ende der Coromandel Peninsula erreicht haben und in Thames einen Kaffee trinken, sitze ich immer noch fassungslos da, ob der Tatsache, dass mein Gegenüber einen Abend mit Roger Willemsen verbracht hat. Bizarr.

Ebenso bizarr ist der schnelle Wechsel unserer Umgebung als wir die gegenüberliegende Küste befahren. Statt saftigen Grün und Sonne ist es auf einmal grau. Es ist Ebbe, der Sand ist grau, ebenso die Muscheln und Steine, das Meer, der Himmel. Trist und doch wunderschön. Wir genießen es bei einer unglaublich großen Menge Fish und Chips bevor wir einmal mehr Auckland ansteuern.



Konrad, Omar und Leonie haben ein Hotel wegen Gratis-Pancakes ausgewählt, ich meines wegen der Hostelworld-Bewertungen. Gute Entscheidung meinerseits, denn es ist brandneu und wunderschön. Nur die Tatsache, dass mein Mietwagen für viel Geld in einem Parkhaus untergebracht werden muss, nervt mich ein wenig. Allerdings bin ich selbst schuld, mit einem Mietwagen in die Stadt zu fahren ist dämlich.


Wir treffen uns kurz darauf, um gemeinsam mit drei englischen Mädels das Rugby-Derby Auckland Blues gegen Hamilton Chiefs anzusehen. Eines der Mädel, Meaghan aus London, spielt selbst Rugby und erklärt mir die Regeln. Da Hamilton die letzten Begegnungen alle gewonnen hat, empfiehlt sie für diese zu Jubeln. Ein Fehler, denn die Blues gewinnen haushoch und wir tun so, als ob wir seit jeher auf ihrer Seite gewesen wären.


Am nächsten Morgen werfe ich mein Sack und Pack wieder in den Kofferraum und beschließe, meine vorerst letzte Möglichkeit auf eine günstige Runde Golf zu nutzen. Neun Loch, Leihschläger, 15 Euro. So stelle ich mir einen öffentlichen Platz vor. Ich spiele zuerst alleine, später jedoch zusammen mit einigen Locals, die gottseidank genauso schlecht sind wie ich.


Ich esse zu Mittag und bemerke, dass es schon zu spät ist, mich von meinen drei Gefährten (ja, Herr der Ringe Anspielung) zu verabschieden. Ein wenig Wehmut begleitet mich, als ich den Mietwagen abgebe und meinen Rucksack am Flughafen einchecke. Mit Konrad, Omar und Leonie habe ich eine tolle Zeit verbracht, nun können wir uns nur per Whatsapp verabschieden. Was ich gelernt habe ist, dass es eine gute Idee ist, seine Reise mit Fremden zu teilen. Denn aus dem üblichen Smalltalk wird mit guten Leuten schnell eine gute Unterhaltung, eine gute Autofahrt, ein guter Abend mit Bolognese oder einige unvergessliche Tage.



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