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  • AutorenbildChristian Langer

Buenos Aires, ich liebe dich!

Aktualisiert: 16. Juni 2019

Buenos Aires ist die schönste Stadt der Welt. Punkt. Ich hätte nie gedacht, dass mir eine Großstadt einmal dermaßen gefallen kann wie die argentinische Hauptstadt. Ebenso schön, aber deutlich ruhiger und auch teurer ist der uruguayische Nachbar Montevideo.

Ich stehe am Flughafen. Wieder einmal. Diesmal freue ich mich jedoch schon sehr auf den Flug, denn ich habe bei Air New Zealand gebucht. Kostenloses Bordprogramm, halbwegs gut schmeckendes Essen, Kissen und Decke erwarten mich und machen den zwölfstündigen Flug deutlich angenehmer. Diesmal steige ich auch nüchtern in den Flieger.


Am 19. Mai um 20:55 Uhr verlässt das Flugzeug Auckland, am 19. Mai um 16:55 Uhr lande ich in Buenos Aires. Wir haben die Datumsgrenze überschritten, jünger sehe ich allerdings nicht wirklich aus.


Mit dem Bus fahre ich in die Stadt, beziehungsweise in den Hafen-Bereich vor der Innenstadt. Da meine Bankkarten komischerweise in keinem der lokalen Bankautomaten funktionieren und die öffentlichen Verkehrsmittel nur eine wiederaufladbare Fahrkarte akzeptieren, die nur mit Barmitteln erworben werden kann, muss ich laufen. Obwohl der Flug angenehm war, bin ich trotzdem geschlaucht. Mein Rucksack wirkt schwerer als gewohnt, die Hafengegend ist nicht die sicherste, ich habe keine Zigaretten mehr und kann mir nichts zu Trinken kaufen. Die Laune ist wie fast immer am ersten Tag nur bedingt gut.


Doch dann stehe ich auf dem Plaza de Mayo, dem wichtigsten Platz Argentiniens. Die rosa Abendsonne geht gerade über der Casa Rosada, dem rosafarbenen Regierungssitz, unter. In den Fenstern der umliegenden Häuser spiegelt sie sich und erleutet noch ein letztes Mal für diesen Tag den Platz. Zwei Kinder spielen Fußball, Polizisten sehnen den Feierabend herbei und die Dunkelheit nimmt langsam den Platz in ihren Besitz.

Zeit für mich weiter zu laufen. Die Gebäude sind alt oder sollen alt wirken und Südamerika offenbart sich mir von seiner schönsten Seite. Im Wechsel sind prachtvolle, brandneue, alte, baufällige oder in bunten Farben gestrichene Fassaden zu sehen. Ich laufe die Chacabuco hinunter und erreiche das "America del Sur Hostel", meine Heimat für die nächsten Tage.


Pasquale, ein Schweizer, liegt im Bett und sieht sich Youtube Videos an, ebenso wie der Kolumbianer neben ihm. Ich falle ins Bett und wache erst am nächsten Morgen um 4 Uhr wieder auf. Da ist er, mein Jetlag. Aber nur halb so wild.


Ich erkunde die Stadt und mache eine Free Walking Tour, also eine Stadtführung auf Trinkgeldbasis. Martin, unser Guide, entschuldigt sich schon im Vorfeld für seine fehlende Neutralität zur argentinischen Politik und Volkswirtschaft. Er erzählt uns von der Herrschaft Perons, Evita und der nachfolgenden Militärdiktatur. Außerdem davon wie die argentinische Währung immer risikoreich war.


So wurde beispielsweise in den 1980ern der Peso durch den "Austral" ersetzt und nach nur sieben Jahren wieder eingeführt. Außerdem legte die Regierung einmal fest, dass ein Peso immer so viel wert sei wie ein US-Dollar. Dies führte dazu, dass die Argentinier ihren eigentlich wertlosen (in Inflationszeiten) Peso sofort in die solide amerikanische Währung umtauschten. Den realen Defizit hatte die nationale Notenbank zu tragen, ein Konzept das natürlich ein volkswirtschaftliches Desaster darstellt. Außerdem erteilte die Regierung einmal den Banken die Erlaubnis, die Ersparnisse ihrer Kunden zu behalten. Dies führte 2001 zu riesigen Massenprotesten und einem im Helikopter fliehenden Staatsoberhaupt.


Im Hostel lerne ich Dan kennen. Der im Süden Londons arbeitende Geschichts-Bachelor ist die Reise nach Südamerika zusammen mit einer Freundin eines Freundes angetreten. Sie kannten sich vorher quasi nicht, Dan sah das als Vorteil an. War es aber nicht. Nach zwei Monaten in Brasilien, wo sie in Favelas arbeiteten, erfolgte die Trennung. Dan ist seit knapp einem Monat in Buenos Aires. Was eigentlich nur ein Zwischenstopp werden sollte, ist nun Heimat geworden. Er möchte gar nicht mehr weg. Als ich ihn frage, ob er denn mit mir nach Montevideo will, sieht er seine einzige Chance, sich dem Charme der Stadt zu entziehen, wenn auch nur für drei Tage.


Wir buchen die Überfahrt im Hostel, was überraschenderweise günstiger ist, als bei den Dienstleistern selbst. Kurz darauf treffen wir Nada aus Schweden, beziehungsweise ich treffe sie, denn Dan kennt sie schon. Wir haben noch keine 30 Sekunden gequatscht, als Dan sie dazu einlädt, mitzukommen. Auch sie hat bereits viel zu viel Zeit ihrer Reise in Buenos Aires verbracht und ist spontan mit an Bord.

Abends gehen Dan, Pasquale und ich Essen. Ich muss das argentinischte aller Abendessen zu mir nehmen: Rindfleisch. Auf kein Produkt sind die Argentinier so stolz wie auf ihr Steak und deshalb geht es ab ins Steakhouse. Pasquale ordert Nieren, Dan spanische Chorizo und ich ebenjenes Steak. Zart, hervorragend und viel. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Was mir jedoch auffällt, ist die Gemeinsamkeit mit Mongolen: Auch in Buenos Aires ist es absolut verpöhnt, das Fleisch zu würzen. Im besten Fall darf's ein wenig Salz sein. Schließlich soll der Eigengeschmack nicht durch Gewürze verfälscht werden. Auf dem Weg zurück liegt eine Tango-Bar: Wir sehen noch den letzten Tanz, dann ist es 3 Uhr nachts und wir verabschieden uns vorzeitig von B.A.


Zeitig am nächsten Morgen geht's ab zur Fähre. Das Wetter ist schön aber das Boot klein - ich werde seekrank. Doch der Bus der uns vom uruguyaischen Küstenstädtchen Colonia nach Montevideo bringt, ist wohl der bequemste, in dem ich je saß. Vom Busbahnhof Tres Cruxes zur unseren Unterkunft im hippen Univiertel laufen wir, was auch die Übelkeit wieder abschüttelt.


Das Hostel ist schön, wir erschöpft. Wir spazieren noch ein wenig am Meer entlang bevor wir uns kurz für einen Powernap hinlegen. Einige Hostelmitarbeiter sitzen im Innenhof, trinken Mate und rauchen Marihuana. Dies ist in Uruguay legal, allerdings nur für Einwohner, nicht jedoch für Touristen.


Wir grillen, trinken und haben einen schönen Abend bevor uns am nächsten Tag ein langer Marsch bevorsteht. Knapp 20 Kilometer laufen wir durch die Stadt bevor wir erneut Teil einer Free Walking Tour sind.


Jeronimo, unser Guide ist Student, Fotograf, Stadtführer und ehemals Bar-Besitzer. Von ihm lernen wir ein wenig mehr über die Stadt, zum Beispiel deren Gründungs-Hintergrund. Buenos Aires wurde im rohstoffarmen Gebiet als Hafen für die Eroberung der weiter im Norden gelegenen Rohstoffen von den Spaniern gegründet. Es liegt direkt am Fluss Uruguay, der strategisch essenziell wichtig war. Die Portugiesen bauten die Stadt Colonia am gegenüberliegenden Ufer der Bucht. Montevideo wurde deshalb gegründet, um die portugiesische Stadt einzukesseln und die Vorherrschaft in diesem Gebiet zu sichern.

Uruguay ist eines der kleinsten und am wenigsten besiedelten Länder Südamerikas und ergibt als selbsständiger Staat eigentlich keinen Sinn. Trotzdem ist die Lebensqualität sehr hoch, die Staatsform ist sehr säkular. Gerade deshalb ist es auch das einzige Land des Kontinents, in dem Abtreibungen legal sind. Ein Recht, um das in Argentinien gerade sehr bemüht gekämpft wird.


Doch nicht alles ist gloreich in der Republica Oriental de Uruguay (also der Republik östlich des Uruguay Flusses): Hier findet man wie in Buenos Aires quasi nur Personen europäischen Ursprungs, Nachkommen von Ureinwohnern sucht man vergeblich. Die einzigen Ureinwohner wurden kurz nach ihrer Hilfe zur Unabhängigkeit getötet oder nach Paris zu einer Völkerschau verkauft. Der Rest flüchtete nach Nordwesten Richtung Paraquay. Auch wenn sich heute vor allem Fußballspieler wie Luis Suarez darauf berufen, Charua-Blut in ihren Adern zu haben, ist dies leider nur eine Lüge.


Mein persönliches Highlight ist der Besuch des Estadio Centenario. Quasi kein Platz auf der Welt hat mehr Bedeutung für die Fußballgeschichte eines Landes, als das immer noch genutzte Hauptstadt Stadion Uruguays. Hier wurde 1934 die erste Fußballweltmeisterschaft ausgetragen und die kleine Nation sicherte sich den Titel bei der Heim-WM. Noch heute ist dies eines der wichtigsten Ereignisse der Landesgeschichte. Im Laufe der Jahre hat sich die Optik quasi nicht verändert und man spürt die Geschichtsträchtigkeit auf jedem einzelnen Sitz. Auch ein kleines Museum zeigt allerlei Kuriositäten und Trophäen, wie beispielsweise eine Replika des originalen Pokals, der Coupe Jules Remy.


Zurück in Buenos Aires verbringe ich meine Zeit damit, mir den berühmten Friedhof Cementerio Cultural Recoletta anzusehen. Hier haben sich die Reichen der Stadt einen Ort geschaffen, an dem auch nach dem physischen Ableben der Wohlstand dargestellt wird. Es ist kein normaler Friedhof mit Grabsteinen, sondern eine Kleinstadt voller Mausoleen, in dem sich die verschiedene Oberschicht versammelt. Auch das Grab Evita Perons ist hier, allerdings ist es nicht so groß oder prominent platziert, wie man es aufgrund ihrer historischen Bedeutung erwarten würde.


In "meinem" Viertel San Telmo befindet sich außerdem der bekannteste Markt der Stadt, welcher jeden Sonntag zahlreiche Besucher anlockt. Zusammen mit Dan schlendere ich durch die kleinen Gassen und die Markthalle bevor wir uns auf dem Weg nach La Boca machen. Das Armenviertel ist wunderschön bunt, hat Flair und mit den Boca Juniors den bekanntesten Fußballclub des Landes. Allerdings sollte man möglichst nicht die Touristenstraße verlassen oder gar bei Nacht unterwegs sein. Hier ist der Teil der Stadt, in dem man bestenfalls als Einwohner unterwegs sein will. Ich habe allerdings meine Souvenirs abgestaubt und kann zufrieden Buenos Aires verlassen.


Mein Uber-Fahrer ist ein fast 80-jähriger Senior, der seine Rente mit Taxifahren aufbessern muss. "Die Inflation hat mich hart getroffen. Uns alle", sagt er. Wir quatschen viel obwohl wir beide der Sprache des Gegenüber nicht mächtig sind. Ich gebe ihm den Fahrtpreis noch einmal als Trinkgeld obendrauf. Für mich ein paar Euros, für ihn mehrere warme Mahlzeiten. Er ist sichtlich gerührt und möchte mir am liebsten die Koffer bis zum Flugzeug tragen. Dankend lehne ich ab und rauche lieber noch eine Zigarette mit ihm, bevor ich meinen Weg ins Terminal antrete.

Mit Abschiedsschmerz steige ich in die LATAM Maschine, die mich am nächsten Morgen US-amerikanischen Boden betreten lässt.


Ich habe noch nie eine Stadt gesehen, die so viel Charakter hat, so interessant und so unglaublich wunderschön ist wie Buenos Aires. B.A., du hast mein Herz gewonnen.

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